Wenn es kein Gas mehr gibt: Was passiert bei einer Gasmangellage?
In Sachen Gas gilt in Deutschland gegenwärtig die Alarmstufe, das heißt: Die Lage ist angespannt, aber unter Kontrolle.
Doch nach Berechnungen der Bundesnetzagentur könnte bei weiterhin ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland eine Mangellage eintreten – laut Notfallplan der Bundesregierung ist das die Notfallstufe. Was bedeutet das überhaupt, und was passiert dann in der Metropole Ruhr?
Der Notfallplan Gas
Bei einer Mangellage sieht der Notfallplan vor, dass die Bundesnetzagentur bestimmt, wie das Gas in Deutschland verteilt wird. Als erstes muss dann die Wirtschaft ihren Verbrauch drosseln. Die Bundesnetzagentur würde zunächst prüfen, in welchen Bereichen die wirtschaftlichen Auswirkungen am geringsten wären und ob das Herunterfahren von Anlagen langfristige Schäden zur Folge hätte. Zu erwarten ist, dass als erstes der Freizeitbereich betroffen sein wird, wie zum Beispiel Schwimmbäder, Saunalandschaften, Eislaufhallen und ähnliche energieintensive Angebote.
Per Gesetz genießen Privathaushalte, bestimmte soziale Einrichtungen und die kritische Infrastruktur besonderen Schutz. Sie sollen selbst bei schwindenden Vorräten weiterhin mit Gas versorgt werden. Allerdings nur in Maßen: Das Betreiben einer Sauna oder eines beheizten Pools zu Hause etwa gilt nicht als geschützt. Ebenso könnten kleine Haushalte, die in überdurchschnittlich großen Wohnungen leben, sich gezwungen sehen, nur einen Teil des Hauses zu heizen.
Spüren werden die Bürger*innen den Gasmangel auf jeden Fall, nämlich im Portemonnaie. Das ist schon jetzt der Fall, und die Lage könnte noch ernster werden.
Sollten Unternehmen aus Mangel an Gas den Betrieb einstellen müssen, sind dort Jobs gefährdet – bis zu 5,6 Millionen Arbeitsplätze könnten nach Schätzungen wegfallen. Auch die Preise werden weiter steigen, sowohl für Gas und Strom als auch für Lebensmittel und andere Produkte des täglichen Bedarfs.
Diese schmerzhaften Maßnahmen haben das Ziel, den Ernstfall zu verhindern – nämlich, dass nicht mehr genug Gas in den Speichern ist, um auch die Bürger*innen mit Wärme und Strom zu versorgen.
Was passiert, wenn der Gasnotstand eintritt?
Im Jahr 2019 haben Bundes- und Landesbehörden den Gasnotstand geprobt. Eines der Ergebnisse: Selbst die per Gesetz besonders geschützten Kunden können nicht sicher sein, dass die Gasgarantie aufrechterhalten werden könne, hieß es im Abschlussbericht des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dies würde neben den rund 20 Millionen Wohnungen in Deutschland, die mit Gas heizen, bedeuten: Schulen würden geschlossen und Krankenhäuser müssten Patienten verlegen, Sicherheitsorgane und Verwaltung wären nur eingeschränkt handlungsfähig. Zudem wäre der Betrieb von Großbäckereien, die Milchwirtschaft und die Nutztierhaltung beeinträchtigt und somit die Versorgung mit Lebensmitteln.
Stromausfälle und Blackout bei Gasmangel möglich
Es kann außerdem zu Stromausfällen kommen, wenn nicht mehr genug Gas verfügbar ist. Einerseits, weil rund 13 Prozent des Stroms in Deutschland über Erdgas erzeugt werden – im Winter tendenziell sogar mehr. Andererseits, weil viele Haushalte versuchen werden, die fehlende Wärme aus der Heizung durch elektrische Heizlüfter auszugleichen. Diese Geräte verbrauchen viel Strom – und eine intensive Nutzung könnte die Stromnetze bis zu einem Blackout überlasten. Dann würde automatisch in einigen Regionen der Strom komplett abgeschaltet oder ausfallen.
Die Liste von Konsequenzen eines solchen Blackouts ist lang und zeigt, wie stark wir von Strom abhängig sind:
Ausfall der Telekommunikationssysteme – kein Telefon, kein Internet
Erliegen der Trinkwasserversorgung
Ausfall von Kühlsystemen, Lebensmittel verderben
ohne funktionierende Kassensysteme, Kühltruhen und Eingangstüren in Supermärkten könnten Geschäfte geschlossen bleiben
Geldautomaten und elektronische Zahlungssysteme fallen aus
Pumpen an Zapfsäulen an Tankstellen funktionieren nicht, es gibt keinen Treibstoff
Ausfall aller öffentlichen Verkehrsmittel
Ausfall von Straßenbeleuchtung und Ampelsystemen
Ausfall von Belüftung in Tunnels
Stillstand des Verkehrs
unterbrochene Lieferketten
Ausfall wichtiger IT-Systeme
Beeinträchtigung des Gesundheitssystems
Welche Gefahren gibt es im Ruhrgebiet bei einem Gasmangel?
Rund zwei Drittel der Wohnungen und Häuser in Nordrhein-Westfalen werden mit Gas beheizt, in einzelnen Ruhrgebietsstädten wie zum Beispiel Dortmund und Bochum sind es sogar drei Viertel. Der Ausfall von Gasheizungen würde Haushalte im Ruhrgebiet also überproportional hart treffen.
Besonders in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet wird bei dauerhaftem Ausbleiben von Gas damit gerechnet, dass Teile der Bevölkerung versuchen, ihre Wohnungen anders zu beheizen, zum Beispiel indem sie still gelegte Kamine und Kachelöfen wieder in Betrieb nehmen und/oder feuchtes Holz und Müll verbrennen. In der Folge käme es voraussichtlich zu mehr Wohnungsbränden und Verpuffungen.
Dicht besiedelte Städte sind stärker auf eine funktionierende Stromversorgung angewiesen als der ländliche Raum, da es in den Städten kaum alternative Wärmequellen oder Möglichkeiten der Lebensmittel- und Trinkwasserbeschaffung gibt. Auch eine ausbleibende Müll- und Abwasserentsorgung hätte in Großstädten schnellere und heftigere Folgen, da sich auf engem Raum Krankheiten schneller ausbreiten könnten.
Als größter Ballungsraum Deutschlands wäre das Ruhrgebiet folglich stark betroffen.
Wie kann ich mich auf eine Gasnotlage vorbereiten?
Machen Sie jetzt schon einen Plan, wie Sie reagieren können, falls es durch die Gasmangellage zu Einschränkungen kommt:
Wenn Sie neben der Zentralheizung in Ihrem Zuhause noch einen einsatzfähigen Kamin oder Ofen besitzen, legen Sie einen kleinen Vorrat an Brennholz oder Briketts an. Es könnte sich auch lohnen, die Feuerstätte noch einmal überprüfen zu lassen, um sicherzugehen, dass diese gefahrlos genutzt werden kann. Mehr Informationen finden Sie hier.
Überlegen Sie, wie Sie ohne einen Herd Lebensmittel zubereiten können. Mehr Informationen finden Sie hier.
Eine gute Vorsorge zu Hause kann helfen, eine Notlage zu überbrücken. Darin sollten sich eine Taschenlampe, Batterien, Kerzen und warme Decken, Trinkwasser sowie lange haltbare Lebensmittel für zehn Tage, und eine Hausapotheke befinden. Laden Sie elektronische Geräte und Powerbanks auf, sodass sie für den Fall eines Stromausfalls zur Hand sind.
Da bei einem Stromausfall auch Geldautomaten und Kartenzahlung ausfallen dürften, ist ein kleiner Bargeldvorrat für notwendige Ausgaben sinnvoll.
Wer befürchtet, Haus oder Wohnung kurzfristig verlassen zu müssen, packt am besten einen Notfallrucksack und stellt diesen an einem gut zugänglichen Ort in der Wohnung ab. Dabei sollten Sie auch wichtige Dokumente nicht vergessen. Einen vollständigen Überblick über Vorsorgemaßnahmen für kleinere und größere Ernstfälle finden Sie hier.
Wie sollte ich mich in der Notlage verhalten?
Versuchen Sie, ruhig zu bleiben.
Wenn Sie über eine alternative Wärmequelle wie einen Ofen oder einen Kamin verfügen, nutzen Sie diese. Um Ihre Wärmequelle optimal zu nutzen, sollte sich die ganze Familie in einem Zimmer aufhalten und Türen und Fenster überwiegend fest geschlossen halten. Dennoch sollten Sie regelmäßig lüften, insbesondere, wenn Sie Kerzen oder einen Kamin nutzen.
Decken und warme Kleidung, getragen nach dem Zwiebelprinzip (viele dünne Schichten unter einer dicken), können helfen, eine Notlage zumindest für eine kurze Zeit zu überbrücken.